Auf zum Gegenangriff

Das Dasein ist köstlich, man muss nur den Mut haben, sein eigenes Leben zu führen.
Peter Rosegger 

Da bin ich schon grad ein bisschen über mich selbst erschrocken: Kürzlich hat jemand meinen Sohn ziemlich hart und mit unschönen Kraftausdrücken beschimpft. Weil dies erstens unbegründet und zweitens in einem sehr verletzenden Ton geschah, begann ich zu kochen (rein innerlich, natürlich).

Einerseits fand ich meine Reaktion (kleines Wortduell mit dem unfreundlichen Zeitgenossen) angebracht und meiner Vaterpflicht entsprechend. Anderseits bin ich im Nachhinein auch etwas beschämt darüber, wie wenig es braucht, um die Kontrolle über meine Gedanken und Gefühle zu verlieren. Na gut, vielleicht nicht grad ganz zu verlieren, aber doch wenigstens für einige Minuten nur noch eingeschränkt beherrscht zu sein.

Da können wir noch so tolle Theorien aufstellen und die besten Kurse besuchen: Wenn unser Liebstes (unsere Kinder, unser Partner oder was auch immer) beschimpft und erniedrigt wird, sind wir reflexartig in der Verteidigungshaltung und blasen nicht selten wie automatisch zum Gegenangriff.

Ob das gut oder schlecht ist, mag ich hier eigentlich gar nicht beurteilen. Jedenfalls finde ich es schon wichtig, dass wir uns schützend vor unsere Kinder stellen, wenn sie erniedrigt werden. Doch es zeigt mir einmal mehr, dass die Kriege dieser Welt nicht einfach weit weg auf den Schlachtfeldern von statten gehen. Die wahren Kriege finden in unseren Herzen statt: Erlaube ich dem reflexartig hochsteigenden Giftstoff aus Hass, Wut und Fluchtgedanken die Kontrolle über mich zu gewinnen oder gelingt es mir, diese innerliche Reaktion als das zu interpretieren, was sie im Grunde ist: Ein Alarmsignal, dass hier etwas nicht in Ordnung ist?

Zugehörigkeit als Ziel

Mein kleines Beispiel zeigt mir natürlich, dass dies viel leichter gesagt und geschrieben ist, als in der Praxis umgesetzt. Doch daran möchte ich mich orientieren. Ich will die Gefühle, die in einer solchen Konfliktsituation aufsteigen, nicht einfach runterspülen, will aber auch versuchen, die gefährliche Eigendynamik von solchen Gefühlen und Gedanken zu stoppen, bevor ich Schaden angerichtet habe, den ich danach bereue.

Kürzlich habe ich jemand darüber sprechen hören, dass wir uns eigentlich in jeder Situation für eine Reaktion aus Liebe oder Angst entscheiden. Je nachdem wie wir eine Situation aufgrund unserer Biografie deuten, entscheiden wir uns für den Weg der Angst („Der will uns weg haben!“, „Ich komme immer zu kurz!“, „Die will, dass ich leide!“, „Alle sind gegen mich!“…) oder der Liebe („Die hatte wohl einen schweren Tag!“, „Leben und leben lassen.“, „Was muss geschehen sein, dass der so unzufrieden ist?“, „Ich bin okay! Ich darf leben und der will mich gar nicht umbringen…“).

Eigentlich hätte ich hier heute das Modell „Überlegenheit – Zugehörigkeit – Unterlegenheit“ vorstellen wollen. Das vielleicht nun später mal. Doch es passt ganz gut dazu: Wie oft agieren wir aus Überlegenheit, weil wir andere klein halten wollen? Und ist nicht noch fast häufiger das dominierende Gefühl die Unterlegenheit? In unserem gefühlten Minderwert ziehen wir uns zurück. Dabei wäre das Ziel die Zugehörigkeit: Ich darf sein, wie ich bin – und du darfst das auch!

 

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Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den Lebensbereich “Selbst“.

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